Die internationale Werbebranche verbündet sich, um Regisseurinnen eine Stimme zu geben
Bereits im April dieses Jahres haben wir im Zuge unseres Beitrags “Women in a Mad Men’s World” über die Wellen berichtet, die Har’el mit Free The Bid (FTB) und ihren Unterstützern geschlagen hat. Nun ist es genau ein Jahr her, seit dem die Flut im September 2016 über die Branche hereingebrochen ist. Der Strom ist noch lange nicht abgeschwächt. Im Gegenteil. Immer mehr Agenturen, Werbefilmproduktionen und Unternehmen lassen sich mitreißen und schließen sich der Bewegung an.
Nur Österreich bzw. der deutschsprachige Raum scheint davon abgeschottet zu sein. Oder? Wir wollten es wissen und haben beim Power-Regisseurinnen-Duo APESFRAMED nachgefragt. Für die beiden Regisseurinnen Martyna Trepczyk und Nicola von Leffern gab es einiges, was sie darüber loswerden wollten. Wir freuen uns, dass sie sich die Zeit genommen haben, ihre Gedanken mit uns zu teilen.
Was ist Free The Bid?
Austria to Free The Bid?
Diese Errungenschaften zeichnen sich ab, wenn man über die Landesgrenzen hinausschaut. Und in Österreich? Hat die Entschlossenheit und Euphorie von FTB auf die heimische Filmindustrie abgefärbt? Nicola von Leffern hat ihre Zweifel:
„Österreich ist oft nicht vorne dabei wenn es darum geht, sich für internationale Trends zu sensibilisieren. Ich glaube von ‚Free The Bid‘ haben hierzulande nicht mal viele Werber oder Produzenten Notiz genommen – und wenn, dann haben sie sich nicht besonders beirren lassen.
Ganz anders geht es den Frauen in der Branche. Sie fühlen sich als würde endlich über sie gesprochen werden. Sie erfahren ein neugewonnenes Gefühl des Zusammenhalts. Eine Welle des Zuspruchs hat auch mich und Martyna erreicht, als wir – eigentlich erstaunt darüber, dass es das noch nicht gab – das erste weibliche Regie-Duo im deutschsprachigen Raum gegründet haben.“
Wenn auch nicht durch FTB, hat sich in letzter Zeit für die beiden Regisseurinnen vieles zum Positiven gewendet. Martyna Trepczyk erzählt, wie sie diesen Wandel erlebt hat:
„Ob die Initiative schon Anklang gefunden hat, kann ich schwer beurteilen, da wir die meisten Aufträge nicht durch Pitches bekommen, sondern direkt zu den Projekten hinzugezogen werden.
Allerdings sehe ich einen großen Unterschied zu früher, bevor Nicola und ich uns vereint haben. Unsere Entscheidungen werden nicht mehr in Frage gestellt. Zugleich wird uns großes Vertrauen geschenkt. Eine Arbeitsatmosphäre und Respekt, den ich mir früher gewünscht hätte.
Da stelle ich mir dann die Frage, ob es erst doppelte Power braucht, um in der Führungsposition wahrgenommen zu werden. Oder, ob es auf den ständigen Dialog zurückzuführen ist, den wir on- und offline suchen. Die Filmbranche ist kollaborativ und es ist schöner, von allen zu lernen.“
Was sagen die Kunden dazu?
Unter den Unternehmen hat HP, dank Antonio Lucio, HPs CMO, der von Forbes zum einflussreichsten CMO des Jahres 2017 ernannt wurde, eine Vorreiterrolle eingenommen. Er war einer der ersten, der die Initiative unterstütze und wird auch im zweiten Jahr ein wichtiger Supporter bleiben.
“HP was the first sponsor for Free The Bid, and I consider Alma a true pioneer and innovator. We are thrilled to continue to support this essential organization as we work collectively to drive systemic change in our industry. We share a goal with Free the Bid, which is to see more women sitting in the director’s chair. Diversity is a business imperative and leads to more authentic and creative outcomes reflective of the communities we serve.”
„Während dem Studium ist das Geschlechterverhältnis noch relativ ausgeglichen“, erzählt Nicola, „aber spätestens wenn man in Österreich in die Arbeitswelt der Filmbranche schaut, merkt man, dass der Frauenanteil drastisch geringer ist. Was zusätzlich noch herrscht, ist so etwas, wie das ungeschriebene Gesetzt: Frauen können ‚eh‘ in der Branche Fuß fassen – wenn sie gut zu-arbeiten. Sie sind begehrte Regieassistentinnen, Dramaturginnen, Produktionsassistentinnen, usw.
Regisseure, Kameraleute und Produzenten sind dann aber wieder Männer.
Anscheinend strahlt man als junge Frau nicht im selben Maße dieses Gefühl von „bei mir ist euer Vertrauen und eure Kohle sicher“ aus. Ich musste das bitter lernen und sehen wie männlichen Kollegen mit weniger Erfahrung mehr zugetraut wurde, während ich auf der Stelle trat.
Nun kann ich nichts an meinem Alter ändern, genauso wenig an meinem Uterus. Ich habe an meinem Auftreten und meinem Aussehen gezweifelt. Zum Glück habe ich dann etwas gefunden, nachdem ich eigentlich nicht aktiv gesucht hatte.
Eine Partnerschaft. Mit einer Kollegin. Einer Regiekollegin. Jetzt sind wir zwar nicht älter, oder männlicher. Aber wir sind zu zweit.“
Was den beiden zu mehr Anerkennung und vor allem mehr Spaß an der Arbeit verholfen hat, könnten sie sich als allgemeinen Lösungsansatz für eine vielfältigere Werbebranche und ein effektiveres Miteinander vorstellen.
„Vielleicht ist der Lösungsansatz, ein Netz zu schaffen, statt eine Spitze“, fügt Martyna hinzu, „womöglich liegt darin auch die Schwierigkeit diese starre alteingesessene Branche umzukrempeln, oder zumindest aufzulockern. Es gibt kaum direkte Kommunikation. Es gibt Departments, Rangordnungen, alte Strukturen. Bei so vielen Mitwirkenden fällt es schwer, die Zügel aus der Hand zu geben und uns, der Regie, zu vertrauen. Vielleicht muss man nicht nur kritisieren, dass Frauen in der Branche fehlen, sondern auch bemängeln, wie die Maschinerie läuft.“
„Genau“, ergänzt Nicola, „ein Netzwerk, in dem wir uns gegenseitig stärken, vorschlagen, unterstützen. Bis langsam auch hier die alt eingesessenen Strukturen aufbrechen und bis es nichts Besonderes mehr ist, wenn man einen großen Film oder eine teure Werbung in die Hände einer Frau gibt.“
Denn: Noch im Jahr 2016 machten Frauen weniger als 7 Prozent aller Regisseure weltweit und weniger als 11 Prozent aller Kreativdirektoren, die bei Werbeagenturen angestellt waren, aus.
Einmal um die Welt
“Free The Bid shows that it takes actual commitment to change the ratio. The roots of gender inequality run deep and we are making it easier for people to discover women directors by working together with the whole industry. The drastic change in numbers is a result of many women AND men working together to insure that women directors are given a seat at the table. The support of HP and Antonio Lucio has made it possible for me to take this initiative, which started on my laptop, and expand it from a conversation about Ad land’s gender imbalance into a global movement. Now that we’re about to venture into our second year, our focus is going to be on increasing the number of women directors of color, and creating opportunities for more brands and ad agencies to implement Free The Bid around the world.”
“Hire women. But don’t hire us because we’re women. Hire us because we’re good. Hire us not only for yogurt and babies and shampoo and back to school. Hire us also for beer and sneakers and cars and explosions and humor. Free The Bid brings awareness that we are here, we are strong and we are hungry for great work.”
„Ich möchte, dass mein Talent und meine Arbeit darüber entscheiden, ob ich den Job bekomme oder eben nicht. Nicht die Tatsache, dass ich eine Frau bin. Genauso war es mit unserem Duo. Erst mit den Reaktionen anderer fiel uns vermehrt die Wahrnehmung auf. Im deutschsprachigen Raum gab es bis dato kein zweites Regiseurinnen-Duo. Wir haben unsere gemeinsamen Ideen, unseren Geschmack und Herangehensweise in den Mittelpunkt gestellt und nicht unser Geschlecht zum Gründungsgrund gemacht.
Nichtsdestotrotz denke ich, dass Bewegungen wie diese dringend notwendig sind, um Aufmerksamkeit auf die Abwesenheit von Frauen in Führungspositionen zu lenken. Gleichberechtigung herrscht erst, wenn es endlich keine Rolle mehr spielt, wer man ist.“
„Manchmal braucht man Vorbilder, um sich etwas zuzutrauen. Manchmal muss man sich aber auch trauen, Vorbild zu sein. Mit dieser Wechselwirkung glaube ich fest an die Bewegung und daran, dass sich auch in Österreich etwas ändern wird.“